Philippa Perry hat einen Elternratgeber herausgebracht. Beim Titel war sie dabei nicht gerade zurückhaltend (und kursgefasst hat sie sich auch nicht). Es ist „Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen: (und deine Kinder werden froh sein, wenn du es gelesen hast)“. Das man es mal mit so einem ausladenden Titel auf die Spiegel Bestseller Liste schafft, hätte vermutlich kein seriöser Buchagent vermutet. Nun ist es aber so gekommen – bisher 28 Wochen lang. Und zwar zu Recht.

Vorweg eine kurze Pflichtinformation: Auf Anfrage für eine Rezension hat mir der Ullstein Buchverlag vor ein paar Wochen eine Kopie des Buches kostenlos zukommen lassen, ohne weitere Verpflichtungen.

„Das Buch von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen“ ist in Großbritannien nach der Veröffentlichung mit einem Sprung auf Platz 1 der Bestsellerliste der Sunday Times gelandet. Für einen Elternratgeber ist das eine Seltenheit. Als Eltern bekommt man sowieso andauernd und überall ungefragte Ratschläge und die Fülle an schlechten Büchern mit dem immer gleichen Inhalt ist groß.

Philippa Perry, die Autorin des Buches, ist seit 20 Jahren in Großbritannien als Psychotherapeutin tätig. So kommen viele pointierte Geschichten zusammen, von Familien und Kindern, von Eltern und Großeltern, von Streit und Vertragen. Und genau damit hat sie es geschafft sich von den abertausenden unsäglichen Ratgebern abzusetzen.

Bekannte Wahrheiten gut verpackt

Vor wenigen Wochen habe ich hier noch über das Buch „Die Kunst des digitalen Lebens“ geschrieben. Eine der Kernaussagen meiner Rezension war: Es ist nicht wirklich neu, was Rolf Dobelli schreibt. Aber manchmal muss es einem von einem Aussenstehenden erzählt werden. Bei diesem Buch ist es ähnlich. Auch hier sind die Grundpfeiler einer liebevollen und guten Erziehung nicht unbedingt neu. Wir sollen die Kinder nicht bewerten sondern ihre Gefühle verstehen lernen. Wir sollen vorleben was wir von ihnen erwarten und Streit nicht gewinnen wollen sondern Kompromisse finden.

Neu – für mich persönlich jedenfalls – war allerdings das Einordnen der elterlichen Gefühle in die eigene, persönliche Geschichte. Denkanstöße die dazu auffordern, nicht nur das Kind zu verstehen sondern auch die eigene Kindheit in die Erziehung mit einzubeziehen. Die Fallbeispiele aus der Praxis unterstützen den Lernprozess des Lesers dabei enorm.

Mehr noch: Perry baut Übungen in die Kapitel mit ein um dem Leser zu helfen ihre Erklärungen im persönlichen Umfeld und der persönlichen Situation zu verstehen und einzuordnen.

Erklären statt belehren

Philippa Perry Das Buch von dem du dir wünschst deine Eltern hätten es gelesen.
Ratgeber gibt es wie Sand am Meer – Endlich einer der mir zusagt.

Im Grunde hat Perry das, was sie den Eltern empfiehlt, im Buchformat umgesetzt. Intensive Kommunikation, erklären statt belehren. Trotz des vielleicht etwas überheblich anmutenden Titels ist es also ein Buch auf Augenhöhe. Perry erklärt nicht nur, dass auch Erwachsene Fehler machen und dass das reparieren dieser „Brüche“ der wichtigste Schritt ist. Sie erzählt auch von sich und Kolleginnen und zeigt auf, dass auch die Profis vor Fehlern keineswegs gefeit sind.

Der Autorin geht es weit weniger um Regeln im Umgang mit Kindern als vielmehr um eine gesunde Beziehung von Eltern und Kind. Eltern waren einst Kinder (sind es für ihre Eltern weiterhin, wenn auch erwachsen) und diese Tatsache hat später wiederum auf das eigene Eltern-Dasein einen Einfluss. Kinder wiederum brauchen nicht nur Eltern, die für sie das Beste wollen sondern Eltern die ausgeglichen und auch mit sich selbst verständnisvoll sind. Denn nicht selten geht eine schwierige Situation mit Kind nicht auf das Kind selbst, sondern auf ein gestresstes Elternteil zurück, so Perry.

Philippa Perry ist nicht nur hilfreich bei Kindern

Tom Wohlfarth schrieb in der TAZ über das Buch, dass es nicht nur im Umgang mit Kinder wertvoll ist – sondern im Umgang mit allen Menschen. Dem kann ich nur zustimmen. Es ist ein versöhnliches Buch. Man muss als Mutter nicht perfekt sein. Man muss als Vater nicht perfekt sein. Im Gegenteil: Man darf Fehler machen und vor allem darf man daraus lernen, sich korrigieren, entschuldigen, Verständnis finden.

Die klassischen Kinder- und Babyratgeber haben daneben sicherlich ihre Daseinsberechtigung. Und neben wirklich vielen schlechten Büchern gibt es auch da ein paar echte Klassiker, die ich sofort empfehlen würde. Remo Largos Babyjahre zum Beispiel gehört dazu, für Neugeborene „Oje, ich wachse“ (meine komplette Artikelreihe dazu findest Du hier) oder auch das „gewünschteste Wunschkind“ für die Trotzphase. Keines dieser Bücher aber hat mich persönlich so weitergebracht wie das „Buch von dem du dir wünschst deine Eltern hätten es gelesen“.

Auch bei uns hat die Trotzphase Einzug gehalten. Unser Mausebär kann plötzlich alles alleine. Wutanfälle sind keine Seltenheit. Philippa Perry hat mir nicht nur geholfen meinem Kind zu helfen die eigenen Gefühle zu benennen und zu verstehen. Sie hat mir geholfen die eigene Prägung aus der Kindheit zu erkennen und meine eigenen Gefühle und Reaktionen besser einzuordnen. „Definieren Sie sich selbst, nicht ihr Kind.“ sagt Philippa Perry dazu. Ich danke ihr dafür.


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Author

36. Mama vom Mausebär. Weltenbummler, fest verankert in und um Köln. Crossfitter und Eishockeyspielerin. Ernährungs-Besserwisser.

10 Comments

  1. Ein gewagter Titel, aber man sieht ja, dass er gut ankam, wenn er in der Bestsellerliste ganz oben stand. Ein bisschen hab ich ehrlich gesagt beim Lesen gedacht, dass meine Eltern das Buch auch hätten lesen sollen. Aber nun bin ich ja schon lange erwachsen und man kann die Zeit nicht zurückdrehen!

    Liebe Grüße
    Jana

  2. Tolles Buch, wie mir scheint! Ja, es gibt so viele Elternratgeber und bis jetzt hat mich nur Jesper Juul überzeugt. Das Buch klingt aber auch nach einem wirklich sinnvollen Ratgeber. Meine Jungs sind ja in der Pubertät, ich wünsche Dir gute Nerven für die Trotzphase! Sie ist ein Vorgeschmack

    Liebe Grüße, Bea

  3. Ein interessanter Titel und ich gebe dir recht, nicht jeder hätte vermutet, dass er es auf die Bestenliste schafft. Die Thematik im Buch berührt und betrifft mich leider nicht, ich habe keine Kinder. Ich denke aber in jedem Lebensbereich (Gesundheit, Familie usw.) gibt es unzählige Ratgeber etc. vieles wiederholt sich aber es kommt immer darauf an wie es erzählt wird. Ich lese gerne Ratgeber für mehr Zufriedenheit und Achtsamkeit im Leben, natürlich widerfährt mir hier auch fast immer dasselbe aber es ist immer wieder faszinierend wie ein gewisser Teil im Buch A einen besser anspricht als wie in Buch B. Ich denke, deine Rezensionen zu diesem Thema werden sicherlich vielen helfen können bei der Auswahl der Bücher.

    Viele Grüße Eileen von http://www.eileens-good-vibes.de

  4. Ich muss zugeben, dass ich als Psychologin keine Erziehungsratgeber lese … sondern meine Kinder intuitiv begleite und mein eigenes Wissen einfließen lasse. Aber vielleicht hole ich mir doch mal ein bisschen eine andere Sichtweise ins Haus ;-). Danke jedenfalls für denTipp!

    Lg
    Nena

    • Hehe, ja du bist dann ja quasi eh schon vom Fach 😉 Intuitiv ist nämlich toll, aber wenn man keine Ahnung hat gar nicht so einfach 😀

  5. Als Therapeutin arbeite ich auch mit auffälligen Kindern und mein Fazit ist fast immer, dass ich eher die Eltern als die Kinder therapieren sollte. Daher kann es sicherlich nicht schaden einen solchen Ratgeber gelesen zu haben.
    Alles Liebe
    Annette

  6. Liebe Katharina,
    Ich muss gestehen, der Titel spricht mich total an. Ich hab zwar keine Kinder und muss deshalb keine Erziehungsratgeber lesen, aber ich finde es toll, dass intensive Kommunikation so im Fokus steht. Ich bin auch so aufgewachsen, dass eher erklärt als belehrt wurde und würde das bei meinen Kindern auch so halten wollen.
    Liebe Grüße von Miriam von Nordkap nach Südkap

  7. Hallo,

    der Titel spricht mich komplett an. Der ist ja auch anziehend. Und die Trotzphase kenne ich sehr gut auch wenn ich bei Oma aufgewachsen bin. Das sollte ich vielleicht mal Lesen, einfach aus Neugier.

    Liebe Grüße
    Julia

    • Wenn es Dich anspricht, kann ich es echt empfehlen. Ob man bei Mama, Oma, Onkel oder Adoptiveltern aufgewachsen ist, macht hier auch keinen Unterschied – Als Eltern gilt hier die Bezugs- und Erziehungsperson. 🙂

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