Ich bin sauer auf Sarah Kuttner. Sauer, weil sie ihn hat sterben lassen. Sie hat Kurt sterben lassen, und zwar den Kleinen, gerade als ich ihn nicht mehr missen wollte.

Ich hatte den Buchrücken und auch Rezensionen von Kurt (20€ bei Amazon) nicht gelesen, bevor ich das Buch angefangen habe. Warum auch? Sarah Kuttner hat ein neues Buch geschrieben, und ich wollte es lesen. So wie ich alle ihre Bücher gelesen habe. Mittlerweile habe ich den Buchrücken überflogen, und ich hätte es wissen können. Dass Kurt stirbt. Und dass es sehr, sehr traurig wird. „Sie werden sich in Kurt verlieben, und dann wird Ihnen das Herz brechen“, schreibt der Verlag, und genau so war es.

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Oranienburg im Sommer

Kurt von Sarah Kuttner
Kurt Cover

Lena und der große Kurt sind nach Brandenburg gezogen. Raus aus Berlin, rein in ein kleines altes Haus mit Garten. Ein Haus in dem der kleine Kurt sein eigenes Zimmer haben kann, wenn seine Mutter Jana ihn – wie alle zwei Wochen – für eine Woche bei seinem Vater abgibt. Es könnte alles so eine schöne, heile Welt sein. Mit Ausflügen an Seen und in Wälder, mit Gartenarbeit, Pfannkuchen und Matchboxautos mit Flügeln. Aber dann passiert das, was nie passieren dürfte. Der kleine Kurt stirbt bei einem Sturz und lässt den großen Kurt und Jana allein zurück. Aber auch Lena, die nie genau wusste was ihre Rolle in der Patchworkfamilie sein darf, und nun nicht weiß wieviel Trauer und Wut ihr zusteht. Als Freundin des großen Kurts, der in seiner Trauer versinken zu droht. Als Fremde gegenüber Jana, auch nach all den Jahren. Und als eine der engsten Vertrauten des kleinen Kurts, der nun nicht mehr da ist.

Es ist eine Geschichte über Trauer und Bewältigung. Darüber was eine Partnerschaft ausmacht, auch in den dunkelsten Stunden. Und was Familie leisten kann – und was nicht. Über die Schönheit Brandenburgs, Trost, und Musik.

Kurt: So traurig – So erschreckend normal

Sarah Kuttner schreibt ihre Romane nicht in verschwurbelter Erzählweise. Es keine ausgefeilte, anstrengende Literatur. Es ist kein Kitsch. Sie schreibt mit Herz, und doch wirken ihre Texte auf eine beeindruckende Weise „normal“. Das macht es in all ihren Büchern so einfach, sich in die Protagonisten hinein zu versetzen, sie zu verstehen, mit ihnen zu fühlen. Die Normalität hat bei Kurt aber auch etwas erschreckendes. Denn nach dem Tod eines geliebten Menschen – in diesem Falle sogar eines Kindes – ist nichts normal, und gleichzeitig doch alles.

Leider kenne ich Menschen die Kinder zu Grabe haben tragen müssen. Leider zu viele. In meinem Alter, oder in dem meiner Eltern – Babies, Kleinkinder, erwachsene Kinder. Jeder einzelne Fall an Traurigkeit nicht zu überbieten, und doch dreht Die Welt sich weiter. Wie Kuttner schreibt: „Sie zögert noch nicht einmal“.

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Und so fliege ich durch das Buch, während neben mir mein eigenes Baby schläft. Fahre durch das verschlafene Brandenburg, und schwinge auf der quitetschigen Hollywoodschaukel. Ich fühle mich an die Erlebnisse in meinem Umfeld erinnert, erkenne in Kurt wieder, wie Freunde von mir Trauer verarbeiten. Fühle mich mal traurig, mal wütend, und dann doch immer wieder selig, mit dem schlafenden gesunden Kind neben mir. Denke an meinen gesunden Neffen. Und kann mir das Unvorstellbare nicht vorstellen und will es auch nicht; lese weiter und hoffe es wird besser. Dass es dem großen Kurt und Lena bald besser geht, und dass ich am Schluss des Buches ihre Hoffnung mitnehmen darf.

Popkultur und Musik

Solche Gefühlsachterbahnen fahre ich selten. Filme können in mir so etwas eigentlich nie auslösen, zu weit weg sind mir die fremden Gesichter bekannter Stars und Sternchen, deren echtes Leben ich nie ganz ausblenden kann. Nur Bücher können das, und davon auch nur wenige. Zuletzt „Quasikristalle„von Eva Menasse und „Als wir unsterblich waren“ von Charlotte Roth, oder in meiner Jugend Harper Lee’s „Wer die Nachtigall stört„.

Sarah Kuttners Hauptfiguren hören die selbe Musik wie ich. Die selben Podcasts sogar (Hey, „This American Life“!). Sie schauen die gleichen Serien, lieben die selben Alltäglichkeiten dieser Welt, und befinden sich – Buch für Buch – immer wieder auch ein bisschen in einem ähnlichen Alltag und Lebensabschnitt. Vielleicht mag ich ihre Bücher auch deshalb so gern. Aber selbst wenn das für Dich anders sein sollte – Du andere Musik magst und vielleicht nicht jede Popculture-Reference des Buches zuordnen kannst:

Sarah Kuttner hat mit Kurt ein wahnsinnig schön trauriges Buch geschrieben, das ich euch zu lesen ans Herz legen möchte – sofern ihr euch dem Thema gewachsen seht.

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Autorenbiografie

Sarah Kuttner wurde 1979 in Berlin geboren und arbeitet als Moderatorin. Sie wurde mit ihren Sendungen »Sarah Kuttner – Die Show« (VIVA) und »Kuttner.« (MTV) bekannt und arbeitete mehrfach für die ARD. Bei zdf.neo hat sie das Großstadtmagazin »Bambule« und die Talkshow »Kuttner plus Zwei« moderiert. Seit 2016 produziert und moderiert sie die monatliche Veranstaltungsreihe »Kuttners schöne Nerdnacht« und seit 2017 moderiert sie gemeinsam mit Stefan Niggemeier den Podcast »Das kleine Fernsehballett« auf Deezer. Ihre Kolumnen für die Süddeutsche Zeitung und den Musikexpress wurden im Fischer Taschenbuch Verlag veröffentlicht. Ihr erster Roman »Mängelexemplar» erschien 2009 und stand wochenlang auf der Bestsellerliste. Danach erschienen die Romane »Wachstumsschmerz« (2011) und »180 Grad Meer« (2015). Sarah Kuttner lebt in Berlin.


Das Buch Kurt von Sarah Kuttner ist im S.Fischer Verlag erschienen und umfasst 240 Seiten. Der Verlag hat mir eine digitale Kopie des Buches für diese Rezension kostenfrei zu Verfügung gestellt.

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Author

36. Mama vom Mausebär. Weltenbummler, fest verankert in und um Köln. Crossfitter und Eishockeyspielerin. Ernährungs-Besserwisser.

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