Ich habe mich einige Wochen nicht gemeldet. Der Grund war nicht etwa schönes Wetter, oder Corona bedingte Schließungen oder was man sonst so erwarten könnte… Nein, ich war von meiner Symphysenlockerung (auch „Pubic Symphysis Dysfunction“ – kurz PSD) völlig ausgeknockt – ausgelöst durch die in der Schwangerschaft weichen Bänder. Zu weich für meinem sowieso schon sehr sehr gelenkigen Körper. So sehr, dass meine Frauenärztin mich kurz vor dem Mutterschutz noch krank schrieb und Ruhe anordnete.
Ruhe, und möglichst wenige der Bewegungen machen die schmerzhaft sind. Also so ziemlich alle, insbesondere aber gehen und (Kinderwagen) schieben, aufrechtes Sitzen, Beine übereinander schlagen, oder auf dem Boden sitzen. Immerhin hat es keine Auswirkungen auf das Baby, dem geht es gut. Das ist ja die Hauptsache.
Bereits beim Mausebär hatte ich stark mit Symphysenschmerz zu kämpfen. Aber erst später und nicht in ausmaßen, die mir Nachts buchstäblich sämtlichen Schlaf raubten. Damals bekam ich einen Gürtel verschrieben, der aber nicht wirklich gegen die Symphysenlockerung half. Das einzige was half war Kraftsport. Mit Muskelkraft alles zusammenhalten, den Rücken stärken, und die hintere Kette. Auch wenn es weniger Intuitiv ist als sich vielleicht gar nicht mehr zu bewegen. Aber mal von vorne…
Was ist eine Symphysenlockerung
Als Symphyse bezeichnet man die Schambeinfuge. Diese ist sogeschen ein von oben nach unten verlaufender Knorpelstreifen mitten im Schambein.
Die Dysfunktion der Symphyse in der Schwangerschaft wird dann als eine Ansammlung von Anzeichen und Symptomen von Unbehagen und Schmerzen im Beckenbereich beschrieben, einschließlich Beckenschmerzen, die in die Oberschenkel und das Perineum („Damm“) ausstrahlen.[1][2] Vor allem gehen, im Bett umdrehen, Treppen steigen oder vom Boden aufstehen sind starke Auslöser für die Schmerzen. Diese treten, wie oben beschrieben, aufgrund der physiologischen Entspannung der Beckenbänder und der erhöhten Gelenkbeweglichkeit auf, die in der Schwangerschaft zu beobachten sind. Der Schweregrad der Symptome variiert von leichtem Unbehagen bis hin zu stark beeinträchtigenden Schmerzen.[3]
Eine Symphysenlockerung tritt auf, wenn das Gelenk ausreichend entspannt ist, um eine Instabilität des Beckengürtels zu ermöglichen. Die Symphysenlockerung feststellen kann die Frauenärztin die euch auch im Rahmen der Schwangerschaft behandelt. In schweren Fällen von SPD kann die Schambeinfuge teilweise oder vollständig reißen. Vergrößert sich der Spalt auf mehr als 10 mm, spricht man sogar von einer Diastase der Schambeinfuge (DSP).[4] (Das Wort Diastase kennt ihr vielleicht auch von der Rektus Diastase – diese betrifft die Bauchmuskeln. Hier könnt ihr mehr über die Rektus Diastase erfahren.)
In der Literatur wird eine Vielzahl von Begriffen verwendet, darunter Beckeninsuffizienz, Symphysenschmerzsyndrom, Beckengelenksyndrom, Beckengürtelschmerz, Beckenrelaxationssyndrom.[2] Egal wie es heißt, meine Ärztin hatte Recht als sie sagte: „Das haben manche Frauen einfach und ich würde lügen wenn ich ihnen versprechen würde, dass der Gürtel wirklich Linderung bringt.“ Na Prost Mahlzeit.
Eine Symphysis pubis-Dysfunktion ist eine häufige und schwächende Erkrankung bei Frauen, da sie meist während/nach der Schwangerschaft auftritt. Sie ist schmerzhaft und kann einen erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität haben, was zu Komplikationen wie Depressionen führen kann.
Jain S, Eedarapalli P, Jamjute P, Sawdy R. Symphysis pubis dysfunction: a practical approach to management. The Obstetrician & Gynaecologist 2006;8:153–158
Warum haben das nur manche Frauen?
Die genaue Ursache von SPD ist nicht sicher bekannt, aber es gibt einige Theorien – in den letzten 3 Wochen des „Ruhe Haltens“ habe ich fleissig für euch recherchiert.
Der offensichtlichste Grund ist die Veränderung der Belastung bei gleichzeitiger Schwächung von Bändern und Muskeln, die ja sonst alles brav zusammen halten. Eine Schwangerschaft führt zu einer veränderten Beckenbelastung, laxen Bändern und schwächerer Muskulatur. Dies führt zu einer sInstabilität, die sich als dann wiederum als Symphysenlockerung manifestieren kann.[4]
In den frühen Stadien der Schwangerschaft sondert der Gelbkörper viel Relaxin und Progesteron ab. Ab der 12. Schwangerschaftswoche wird diese Funktion von der Plazenta und der Dezidua fortgesetzt. Relaxin wiederum baut Kollagen im Beckengelenk ab und bewirkt eine Lockerung und Erweichung. Progesteron hat eine ähnliche Wirkung. Relaxin hat jedoch keine Korrelation mit dem Grad der Symptome. [4]
Weitere Faktoren, die zur SPD beitragen, sind körperlich anstrengende Arbeit während der Schwangerschaft und Ermüdung mit schlechter Körperhaltung und Bewegungsmangel. Gewichtszunahme, Multiparität, erhöhtes mütterliches Alter und eine Vorgeschichte mit schwierigen Entbindungen können ebenfalls eine Rolle spielen. Auch das ist ja in gewisser Weise logisch. Mehr Gewicht erhöht den Druck, Mangel an Sport vermindert das mögliche Gegenwirken der Muskeln. Schlechte Haltung… nun, ich denke wir wissen alle dass das nie gut ist, und dennoch ist sie allgegenwärtig – insbesondere am Schreibtisch.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Ursachen für diese Instabilität hormonell (Relaxin), metabolisch (Kalzium), biomechanisch (Belastung durch Schwangerschaft oder körperliche Betätigung), schwache Muskulatur, Körperzusammensetzung (Gewicht), anatomische und genetische Variationen sind.[2]
Die gute Nachricht ist: Die allermeisten dieser Faktoren kehren sich nach der Schwangerschaft wieder um. Wir sind wieder etwas leichter, alles wird wieder etwas fester. Bei den allermeisten Frauen verschwindet der Schmerz und auch die Symphysenlockerung nach wenigen Wochen wieder.
Was kann ich gegen die Schmerzen tun?
Was bei den Schmerzen hilft ist tatsächlich von Frau zu Frau sehr unterschiedlich. Was man allerdings ziemlich genau sagen kann ist was es zu vermeiden gilt. Also fangen wir damit mal an…
Was Du nicht tun solltest, wenn die Symphyse schmerzt:
- Lange Strecken gehen, insbesondere mit Schieben (Kinderwagen, Einkaufswagen, Rasenmäher, etc.)
- Auf einem Bein stehen – auch nicht um ins Hosenbein zu steigen
- Treppen steigen (es ist okay, den Aufzug zu nehmen wenn es einen gibt!)
- Auf dem Boden sitzen
- Beine über Kreuz
- Beim Sport: Ausfallschritte, Schieben, Hüpfen, Ski-ERG, …
Was vielen Frauen mit Symphysenlockerung hilft – und wo Du deinen Weg finden musst:
- Schwangerschaftsyoga & Dehnübungen mit ausgewählten Übungen (Beine nicht voreinander stellen bei Belastung)
- Kraftsport für die hintere Kette (hintere Oberschenkel, Po, Rücken) – inklusive Kniebeugen (ggfs. mit Bank), geringere Gewichte als normalerweise, keine Ausfallschritte. Bitte mit gut ausgebildetem Trainer!
- Schwimmen und Wassergymnastik
- Beckenbodenübungen um den Beckenboden gezielt an- aber auch entspannen zu können
- Nachts ein dickes Kissen zwischen die Knie legen
- Beckengurt (Anpassung durch einen Orthopäden, korrektes Anlegen)
- Magnesium und Kalzium per Nahrungsergänzung einnehmen (unbedingt mit dem Arzt absprechen)
- Akupunktur, Kühlpack und Massage werden öfter genannt, jedoch ohne „Beweis“ dass es hilft
Für genauere Ausführungen zum Thema Sport in der Schwangerschaft und die Möglichkeiten die Übungen anzupassen, gibt es übrigens mein Buch – das könnt ihr hier bestellen und im Kindle Unlimited Probeabo auch gratis lesen.
Symphysenlockerung und Geburt
Was aber bedeutet eine Symphysenlockerung für die Geburt?Grundsätzlich kann auch mit Symphysenlockerung vaginal entbunden werden. Auf mehreren Seiten wird eine Wassergeburt empfohlen, sowie eine Gebärposition in der man nicht liegt. Zum Beispiel in der Hocke oder im Vierfüsslerstand. Ich empfehle, dass man sich hierzu von der Hebamme oder im Krankenhaus bereits vorher beraten lässt. So kann man sich gut darauf einstellen und vorbereiten. Bei einem spontanen oder auch geplanten Kaiserschnitt hat die Symphysenlockerung keinen Einfluss.
Ich selbst konnte trotz der Symphsenlockerung den Mausebär vaginal entbinden und hatte – soweit ich das beurteilen kann – dadurch nicht mehr Schmerzen oder Schwierigkeiten unter der Geburt. Ich selbst habe mich an den Rat einer Wassergeburt gehalten (da mir sowieso furchtbar kalt war im Kreißsaal) und habe liegende Positionen vermieden. Beim zweiten Kind war die Symphysenlockerung stärker und auch wesentlich schmerzhafter. Dennoch war diese kein Hindernis für eine klassische Entbindung, auch wenn es am Ende aus anderen Gründen zum Kaiserschnitt gekommen ist.
Bei beiden Kindern hatte ich noch einige Wochen nach der Geburt Schmerzen, diese wurden aber schnell weniger. Die Symphysenlockerung habe ich dann bei bestimmten Sportübungen noch ein Weilchen (zum Beispiel bei Ausfallschritten) bemerkt, aber auch das wurde mit jedem Tag besser.
Kurzum: Eine Symphysenlockerung ist zwar sehr schmerzhaft, aber Du musst deshalb nicht mehr Angst vor der Geburt haben. Auch dem Baby passiert dadurch nichts. Und das ist doch die Hauptsache, oder? Also haltet durch… macht alles, was euch gut tut und vermeidet was Schmerzen bereitet. Es geht vorbei!
Wie sah es denn bei euch aus? Hattet ihr mit Symphysenschmerz oder einer Symphysenlockerung zu kämpfen? Hat bei euch ein Gürtel geholfen? Oder konnte mein Artikel euch Möglichkeiten zur Besserung aufzeigen? Ich freue mich auf euer Feedback in den Kommentaren!
Quellen:
- Welsh A., Antenatal care routine care for the healthy pregnant woman, National Collaborating Centre for Women’s and Children’s Health, 2008, 2nd edition, London, 113
- Aslan A. and Fynes M., Symphyseal pelvic dysfunction, Current Opinion Obstetrics and Gynecology, 2007 19:133–139.
- Leadbetter, R. E., D. Mawer, and S. W. Lindow. „Symphysis pubis dysfunction: a review of the literature.“ The Journal of Maternal-Fetal & Neonatal Medicine 16.6 (2004): 349-354.
- Jain S, Eedarapalli P, Jamjute P, Sawdy R. Symphysis pubis dysfunction: a practical approach to management. The Obstetrician & Gynaecologist 2006;8:153–158.
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5 Comments
Liebe Katharina,
ohje, das ist wirklich schrecklich schmerzhaft, ich kann das gut nachempfinden. Ich habe irgendwann auch nur noch mit Kissen zwischen den Knien geschlafen und hatte einen Beckengurt – den ich aber nur wenige Male getragen habe, da der Druck Wehen ausgelöst hat.
Halte durch!
Alles Liebe und herzliche Grüße
Anja von STADT LAND WELTentdecker
Liebe Anja,
das hört sich wirklich sehr unangenehm an. Ich hatte in meinen Schwangerschaften immer Probleme mit der Wirbelsäule und das hat mir schon gereicht. Aber du hast ja eine gute Einstellung zu deinem Körper. Schön das du auch anderen Schwangeren die Angst nimmst und wie du schon sagst. Es geht zum Glück vorbei.
Alles Liebe
Freya
Ich hatte während meiner Schwangerschaft auch diverse Symptome, aber an diese Schmerzen erinnere ich gerade nicht. Ich weiß nur noch, dass ich gegen Ende der Schwangerschaft nachts immer nur auf einer Seite schlafen durfte – Anordnung vom Arzt – weil meine Tochter sonst meine Nieren geschädigt hätte.
Ich wünsche dir, dass du die letzte Zeit bis zur Geburt noch möglichst schmerzfrei überstehst!
Liebe Grüße
Jana
Liebe Katharina,
Ich habe mich schon gefragt, wo du steckst. Oh wei, das klingt ja richtig schmerzhaft und auch so, als wärst du durch PDS ziemlich eingeschränkt. Aber wie du schon sagst, das wichtigste ist wohl, dass es dem Baby gut geht und die Entwicklung des kleinen Wesens ganz normal fortschreitet. Ich wünsche dir trotzdem gute Besserung, viel Kraft und vor allem viel Durchhaltevermögen.
Liebe Grüße von Miriam von Nordkap nach Südkap
Danke für die Aufklärung, wusste ich alles nicht. Ich wünsche dir alles Gute. LG Romy