Viele Kinder – besonders Jungen im Kindergarten- und Vorschulalter – sind regelrecht fasziniert von Rittern. Die Welt der Burgen, Lanzen, glänzenden Rüstungen und tapferen Held:innen zieht sie in ihren Bann. In einer Welt, die so oft von Regeln und Strukturen geprägt ist, erlaubt die Ritterwelt ein freies Ausprobieren: Hier darf man mutig sein, gut oder böse, Entscheidungen treffen, sich durchsetzen und sogar Chef spielen – und das alles mit einem Holzschwert in der Hand.
Wenn Türme und Schwerter Kinderherzen erobern
Kindergärten greifen diese Begeisterung nicht selten auf. Mit Pappkartons werden Burgen gebaut, mit Decken Türme verhüllt und mit bunten Decken Ritterumhänge gebastelt. Diese Art des Spiels ist nicht nur reines Austoben – sie ist ein ganz natürlicher Ausdruck kindlicher Entwicklung. Durch das Rollenspiel verarbeiten Kinder ihre Umwelt, probieren unterschiedliche Rollen aus und lernen, wie soziale Beziehungen funktionieren. Gerade die klaren Gegensätze von Gut und Böse, wie sie in Rittergeschichten oft vorkommen, helfen Kindern, sich zu orientieren und ein Gespür für Gerechtigkeit zu entwickeln.
Warum Rüstungen, Turniere und Schwerter so begeistern
Die Faszination für Ritter ist so intensiv, weil sie verschiedene Bedürfnisse kindlicher Entwicklung anspricht. Zum einen ist da die Möglichkeit, Geschichte nicht nur zu hören oder zu sehen, sondern sie buchstäblich zu begreifen. Schwerter, Schilde, Rüstungen – diese Dinge lassen sich anfassen, sie erzeugen Geräusche, sie lassen sich heben und tragen. Für Kinder bedeutet das: Ich kann Teil dieser Welt sein, nicht nur Zuschauer:in.
Hinzu kommt das große Thema Heldenreise. Ob es nun der kleine Ritter Trenk ist, der gegen einen Drachen kämpfen will, oder Kinder die in Geschichten in einer Zeitreise in der Ritterzeit landen – immer geht es um Mut, Entschlossenheit, Gerechtigkeit. Das sind Werte, die Kinder intuitiv verstehen. Held:innenfiguren in Rittergeschichten sind meist klar gezeichnet, ihre Missionen eindeutig. Dadurch fällt es den Kindern leicht, sich mit ihnen zu identifizieren und sich selbst in solche Rollen zu träumen.

Ein weiterer Aspekt ist die körperliche Komponente. Ritterspiele fordern Bewegung – Rennen, Kämpfen, Klettern. Für viele Kinder ist Bewegung im Alltag sehr sehr wichtig. Sie spüren sich selbst, ihre Kraft, ihre Ausdauer. Das fördert nicht nur die körperliche Entwicklung, sondern stärkt auch das Selbstbewusstsein. Dabei ist es wichtig, ihnen den Rahmen zu geben, in dem diese körperliche Auseinandersetzung als Spiel erkannt und erlebt werden kann – ohne dabei echte Gewalt zu verharmlosen.
Kämpfen ja – aber ohne Schmerz
Schwerter gehören zur Ritterwelt nunmal dazu, wie tatsächlich noch viele weitere Waffen. Und Kämpfen auch. Doch wie kann man Kindern vermitteln, dass der Kampf im Spiel nicht bedeuten darf, dass jemand wirklich verletzt wird? Dass man nicht ständig und außerhalb des Spiels Kampf und Schwert als Lösung einsetzt? Diese Frage stellt sich vielen Eltern – und das zu Recht. Wichtig ist vor allem, eine klare Haltung zu vermitteln. Wenn ein Kind mit stolzgeschwellter Brust und Schaumstoffschwert durch den Garten stürmt, ist das Ausdruck seiner Vorstellungskraft. Doch sobald es versucht, einem anderen Kind wehzutun, ist eine Grenze überschritten.
Hier helfen klare Regeln: Kämpfen darf nur als – und innerhalb vom – Spiel stattfinden. Es muss jederzeit gestoppt werden können. Wenn ein Kind sagt „Stopp“, dann ist Schluss. Auch die Unterscheidung zwischen echten und Spielwaffen ist essenziell. Ein Schaumstoffschwert ist ein Spielzeug, kein Werkzeug für Gewalt. Erwachsene sollten diese Regeln nicht nur aufstellen, sondern aktiv im Spiel begleiten. Es kann helfen, mit den Kindern gemeinsam Szenarien zu entwickeln, in denen Ritter nicht nur kämpfen, sondern auch verhandeln, retten oder feiern. So wird aus dem einseitigen Kampfspiel ein Rollenspiel mit vielen Facetten.
Meine Buchtipps für kleine Ritter
Zeitreise im Schlafanzug: Erlebe die Ritterzeit

Wer sich intensiver mit dem Leben im Mittelalter auseinandersetzen möchte, dem sei „Zeitreise im Schlafanzug – Ritterzeit“ von Timothy Knapman & Matt Robertson empfohlen. Dieses Sachbilderbuch, welches uns vom Verlag zu Verfügung gestellt wurde (Werbung), erzählt die Geschichte von Kindern, die eine Zeitreise machen und mitten im Burgalltag landen. Dabei lernen sie, wie hart das Leben damals war – vom frühen Aufstehen über das anstrengende Training der Knappen bis zum schweren Essen ohne Gabel.
Die Illustrationen sind liebevoll gestaltet und voller Details, die zum Entdecken einladen. Klappen und Wimmelbilder animieren zum aktiven Zuhören und Nachfragen. Durch die dialogische Erzählform lernen die Kinder auf Augenhöhe, was es hieß, ein Ritter zu sein – mit allen Licht- und Schattenseiten. Das Buch eignet sich hervorragend, um gemeinsam ins Gespräch zu kommen: Wie war das damals? Was war spannend? Was war schwierig? Und vor allem: Möchtest du wirklich in dieser Zeit gelebt haben?
Bei uns kommt das Buch besonders gut an. Das Hasenkind schaut sich die Seiten sehr genau an und stellt gerne und viele Fragen zu den Zeichnungen – sei es zur Kleidung, zu Räumen oder zu den Tätigkeiten der Ritter und Knappen.
Zeitreise im Schlafanzug: Erlebe die Ritterzeit ist im Fischer Sauerländer Verlag erschienen, ISBN-13: 978-3737373760, 52 Seiten, 17,90€ (hier kaufen)
Der kleine Ritter Trenk
Ein weiterer wunderbarer Einstieg in die Ritterwelt ist das Buch „Der kleine Ritter Trenk“ von Kirsten Boie. Es eignet sich hervorragend als abendliches Vorlesebuch und bietet neben Spannung auch jede Menge Gesprächsanlässe. Die Geschichte erzählt von einem Bauernjungen, der sich aufmacht, ein Ritter zu werden – gegen alle Widerstände und Ungerechtigkeiten. Kinder lieben Trenk, weil er klug, mutig und zugleich sehr menschlich ist. Er macht Fehler, lernt daraus und steht für das ein, was ihm wichtig ist.
Die Kapitel sind kindgerecht gestaltet, die Sprache lebendig, die Handlung spannend, ohne überfordernd zu sein. Für Kinder ab sechs Jahren ist dieses Buch eine wunderbare Möglichkeit, in eine andere Zeit einzutauchen – gemeinsam mit den Eltern, die beim Vorlesen oft genauso mitfiebern wie der Nachwuchs.
Ritterspiel als Erfahrungsraum
Ritterspiel ist mehr als nur ein wildes Herumfuchteln mit Schwertern. Es kann ein wertvoller Erfahrungsraum sein. Wenn Kinder gemeinsam eine Burg aus Kissen und Decken bauen, sich Rollen überlegen und Aufgaben verteilen, dann üben sie soziale Kompetenzen. Sie lernen, sich abzusprechen, zu streiten, sich wieder zu versöhnen. Auch Kreativität und Problemlösefähigkeiten werden geschult, wenn es darum geht, wie man aus einem Besen eine Lanze oder aus einer Pappkiste ein Schild basteln kann.
Ein ganz besonderer Reiz liegt auch darin, dass Ritter nicht nur gekämpft, sondern auch gelebt haben. Wer das ins Spiel einfließen lässt, erweitert den Horizont der Kinder. Warum nicht mal gemeinsam mittelalterlich kochen, ein eigenes Wappen malen oder sich überlegen, wie ein Tag auf der Burg wohl ausgesehen hat? So wird aus dem Ritterspiel eine Entdeckungsreise in eine fremde Zeit.
Kinder stärken, ohne Gewalt zu verherrlichen

Im Mittelpunkt aller Ritterspiele sollte eines stehen: das Kind. Sein Bedürfnis nach Abenteuer, nach Bewegung, nach Selbstwirksamkeit. Doch es braucht auch Begleitung. Erwachsene können helfen, den Unterschied zwischen Spiel und Realität klarzumachen. Sie können darauf achten, dass niemand ausgeschlossen wird, dass Niederlagen verarbeitet und Siege nicht überhöht werden. Es geht nicht darum, Gewalt zu tabuisieren – sondern sie einzuordnen. Als Teil von Geschichten, aber nicht als Mittel im Alltag.
Kinder dürfen mutig sein. Sie dürfen laut sein, wild, entschlossen. Sie dürfen auch mal verlieren. Was sie nicht dürfen, ist anderen wehzutun – auch nicht im Spiel. Wenn Erwachsene das vorleben und begleiten, wird das Ritterspiel zu einem sicheren Raum, in dem Kinder wachsen können.
Begleitung in der Ritterwelt
Als Elternteil bist du nicht nur Beobachter:in, sondern Begleiter:in dieser kleinen Held:innenreisen. Du kannst mitspielen, mitlesen, mitbauen. Du kannst Fragen stellen, Geschichten weitererzählen, das Ritterspiel in neue Bahnen lenken. Vielleicht wirst du selbst zur Königin, zum Magier oder zur Hofnärrin. Vielleicht liest du deinem Kind beim Einschlafen vom kleinen Trenk vor – und sprichst danach über Mut und Gerechtigkeit.
Die Welt der Ritter ist bunt, spannend, lehrreich. Sie ist ein Ort, an dem Kinder sich ausprobieren dürfen – wenn sie begleitet, unterstützt und ernst genommen werden. Dann klirren Schwerter wirklich nur im Spiel. Und das ist gut so.
Disclaimer
In diesem Artikel sind Affiliate Links enthalten. Solltest Du das beschriebene Produkt über einen dieser Links erwerben, bekomme ich eine kleine Provision die in den Erhalt der Website fließt. Für dich entstehen dadurch keinerlei Kosten – der Preis des Produktes bleibt gleich. Ich danke Dir dass Du mich und mein Hobby „Windeln und Workouts“ bei Nutzung der Links unterstützt.